3D – Chancen und Risiken

Spätestens seit den Erfolgen von James Cameron´s Kinofilm Avatar im Jahr 2009, welcher mit einem Einspielergebnis von weltweit 2,78 Milliarden Dollar bis heute der finanziell erfolgreichste Kinofilm aller Zeiten ist (vgl. IMDb, 2013), ist 3D im Kino und somit auch in den Köpfen der Besucher angekommen. Als Reaktion auf die gesteigerte Nachfrage des Publikums nach 3D-Filmen stieg die Anzahl an 3D-Kinos in den letzten Jahren kontinuierlich an. Der weltweite Anteil an 3D-Leinwänden hat im Jahr 2012 als Reaktion auf die Erfolge in den Vorjahren mittlerweile 35% erreicht (vgl. MPAA, 2012).

Die Integration von 3D in der Mitte der Gesellschaft wurde über die parallele Vermarktung von 3D-fähigen TV-Geräten und Displaysystemen für die Heimanwendung vorangetrieben. Dabei profitierte dieser Sektor von der gesteigerten Akzeptanz von 3D-Technologien durch die Erfolge im Kino und zeigt einen anhaltend aufsteigenden Trend. Seit 2010 ist die Nachfrage nach 3D-fähigen Fernsehgeräten stetig gestiegen (vgl. DisplaySearch, 2013). Auch in Zukunft ist mit einer weiteren Steigerung der Marktpenetration im Sektor der 3D-Displaytechnologie zu rechnen (vgl. PWC, 2012). Schließlich haben mittlerweile alle namhaften Display- und TV-Gerätehersteller 3D-Displays in ihr Produktportfolio aufgenommen. Man geht davon aus, dass im Jahr 2016 weltweit weit über 100 Millionen 3D-Displayeinheiten verkauft und damit Einnahmen von etwa 17 Milliarden Dollar erwirtschaftet werden (vgl. DisplaySearch, 2010).

Neben der Verbreitung von 3D-Technologien in der Unterhaltungsbranche, was sicherlich den größten Berührungspunkt zur Gesellschaft und somit zum Menschen darstellt, können 3D-Displaytechnologien auch für bestimmte Berufsgruppen in Zukunft eine sinnvolle Maßnahme zur Erweiterung von Arbeitsabläufen und Erschließung bisher ungenutzter Ressourcen sein. Neue Technologien können unter anderem in industriellen und baulichen Planungs- und Produktionsprozessen oder in der Medizin für bildgebende 3D-Verfahren im Rahmen von Diagnostik und Operationsverfahren angewendet werden, um Wertschöpfungsketten zu optimieren (vgl. BMWi, 2013). Schließlich ergibt sich ein weitreichendes Anwendungsgebiet und daraus resultierend eine breite Masse an 3D-Nutzern, vorwiegend im Bereich der Unterhaltungstechnologie, jedoch ebenso am privaten und beruflichen Bildschirmarbeitsplatz.

Wie funktioniert 3D?

Die Erzeugung eines künstlichen 3D-Effektes über ein zweidimensionales Display ist grundsätzlich über verschiedene Methoden realisierbar, erfolgt nach heutigem Stand jedoch meist über das Prinzip der Stereoskopie (vgl. Holliman et al., 2011). Dabei werden die geometrischen Zusammenhänge der realen räumlichen Wahrnehmung möglichst genau nachempfunden, indem dem Betrachter der Nachbau eines realen räumlichen Reizes über eine zweidimensionale Oberfläche präsentiert wird. Über kortikale Verarbeitungsprozesse wird eine Räumlichkeit interpretiert, welche real nicht gegeben ist.

Dabei müssen zunächst zwei grundlegende Bedingungen erfüllt sein. Eine Bedingung zur Erzeugung eines 3D-Effektes ist die separate Darstellung jeweils eines Seheindruckes für das rechte und linke Auge (vgl. Tauer, 2010). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Halbbildern (siehe Abb. 1, HB). Abhängig von der Wiedergabemethode geschieht die Separation der Halbbilder über verschiedene, technologische Ansätze zur Bildtrennung (vgl. Pastoor & Wopking, 1997), realisiert z.B. über Polarisationsfilter in der getragenen 3D-Brille. Eine weitere Bedingung ist die Positionierung und die perspektivische Variation der Halbbilder (vgl. ebd.). Dabei werden die Halbbilder, horizontal zueinander versetzt, nebeneinander auf dem Display dargeboten. Der horizontale Versatz wird als stereoskopische Parallaxe (siehe Abb. 1, SP) bezeichnet (vgl. Longhi, 2010).

Abb. 1: Wahrnehmung des 3D-Effektes in Abhängigkeit von der Zuordnung der Halbbilder zum jeweiligen Auge. (HB=Halbbild, GB=Gemeinschaftsbild, SP=Stereoskopische Parallaxe)

Abb. 1: Wahrnehmung des 3D-Effektes in Abhängigkeit von der Zuordnung der Halbbilder zum jeweiligen Auge. (HB=Halbbild, GB=Gemeinschaftsbild, SP=Stereoskopische Parallaxe)

Sind beide Bedingungen erfüllt, so setzen sich die beiden Halbbilder über kortikale Verarbeitung zu einem dreidimensionalen Gemeinschaftsbild (siehe Abb.1, GB) vor oder hinter der Displayebene zusammen. Ob der 3D-Effekt vor oder hinter der darstellenden Oberfläche wahrgenommen wird, hängt von der Zuordnung der Halbbilder zum jeweiligen Auge ab (vgl. ebd.). Ist das rechte Halbbild dem rechten Auge und das linke Halbbild dem linken Auge zuzuordnen, so wird das Gemeinschaftsbild hinter der darstellenden Oberfläche wahrgenommen (siehe Abb. 1, links). Bei umgekehrter Zuordnung der Halbbilder wird der 3D-Effekt vor der Displayebene wahrgenommen (siehe Abb. 1, rechts).

Beschwerden durch 3D

Aufgrund der Tatsache, dass der Mensch immer häufiger mit 3D-Darstellungen konfrontiert wird, müssen kritische Fragen gestellt und beantwortet werden. Die zentrale Fragestellung ist dabei, welchen Einfluss künstlich erzeugte 3D-Effekte auf den Menschen haben? Diesbezüglich ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass es bei der Betrachtung von 3D-Effekten auf entsprechenden stereoskopischen Displaysystemen im Vergleich zu herkömmlichen 2D-Displays zu einer gesteigerten Belastung des involvierten Betrachters kommen kann (vgl. Yano et al., 2002; Yano et al., 2004). Bei manchen Betrachtern sorgt die übermäßige Belastung für 3D-induzierte Beschwerden. Als Überbegriff für belastungsinduzierte Beschwerden, welche auf die Auseinandersetzung mit virtueller Realität zurückzuführen sind, wird oftmals der Begriff „Virtual Reality Induced Symptoms and Effects“, kurz VRISE, verwendet (vgl. Sharples et al., 2008). Dabei wird zwischen direkten Symptomen am Auge (u.a. Unschärfe, Doppelbilder, ermüdete Augen) und allgemeinkörperlichen Symptomen (u.a. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühl) unterschieden (vgl. Urvoy et al., 2013).

Warum kommt es zu Beschwerden?

Gründe hierfür sind multifaktoriell bedingt, haben jedoch die Gemeinsamkeit, dass der Ursprung in einer verstärkten visuellen Beanspruchung des Betrachters zu sehen ist (vgl. Kooi & Toet, 2004). Dabei wird u.a. dem sogenannten Vergenz-Akkommodation-Konflikt, kurz VAK, eine elementare Rolle beim Auftreten von 3D-induzierte Beschwerden zugeschrieben (vgl.Hoffman et al., 2008; Shibata et al., 2011; Ukai & Howarth, 2008; Lambooij et al., 2009; Howarth, 2011).

Die visuelle Verarbeitung von natürlicher Räumlichkeit in der realen Welt ist dadurch charakterisiert, dass sowohl die Fokussierung auf ein betrachtetes Objekt – gesteuerte durch die im menschlichen Auge integrierte Augenlinse (siehe Abb. 2, AL) – als auch die Fixation des Objektes – regulierte durch die äußeren Augenmuskeln (siehe Abb. 2, AM) – stets gekoppelt ist (siehe Abb. 2, rechts), d.h. der Betrachter fokussiert und fixiert das Objekt, welches seine Aufmerksamkeit erregt. Bei der Betrachtung von künstlichen stereoskopischen 3D-Effekten hingegen kommt es zu einer unnatürlichen Entkopplung. Der Betrachter fokussiert konstant auf die Displayebene, auf welcher die Halbbilder dargeboten werden und fixiert gleichzeitig den wahrgenommenen 3D-Effekt, welcher vor oder hinter der Displayebene liegt (siehe Abb. 2, links).

Abb. 2: Fokussierung und Fixation des visuellen Systems bei stereoskopischer 3D-Darbietung (links) und realer Räumlichkeit (rechts). (HB=Halbbild, GB=Gemeinschaftsbild, AL=Augenlinse, AM=Augenmuskel)

Abb. 2: Fokussierung und Fixation des visuellen Systems bei stereoskopischer 3D-Darbietung (links) und realer Räumlichkeit (rechts). (HB=Halbbild, GB=Gemeinschaftsbild)

Dieses unnatürliche Verhalten lässt sich unter Berücksichtigung der Art und Weise der Entstehung eines künstlichen dreidimensionalen Effektes durch Stereoskopie ableiten. Schließlich muss der Betrachter auf die Displayebene fokussieren, sodass die beiden auf dem Display dargestellten Halbbilder für das rechte und linke Auge deutlich und scharf wahrgenommen werden. Der horizontale Versatz in Zusammenspiel mit der separaten Darstellung der beiden Halbbilder für das rechte und linke Auge bewirkt hingegen, dass jedes Auge das dazugehörige Halbbild fixiert und sich die Fixierlinien des Augenpaares folglich nicht in der Displayebene, sondern in der Ebene des virtuellen 3D-Objektes schneiden.

Was ist zu tun?

Als Reaktion auf das Auftreten von Beschwerden während der Nutzung von 3D-Displays wurden Handlungsempfehlungen von verschiedenen Herstellern ausgegeben. Darin wird einheitlich empfohlen, die Nutzungsdauer grundsätzlich zu begrenzen und bei aufkommenden Beschwerden die Nutzung sofort einzustellen (vgl. Sony, 2010; Philips, 2013; Samsung, 2014). Sicherlich lassen sich 3D-induzierte Beschwerden hierdurch reduzieren bzw. kurzfristig umgehen, jedoch werden die Nutzungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt.

Besonders für die eingangs in Aussicht gestellte Anwendung von 3D-Displaytechnologien am privaten und beruflichen Bildschirmarbeitsplatz stellt sich ein differentes Anwendungsmuster dar, als es bei der bisherigen Nutzung von 3D an den Tag gelegt wird. So ist die Nutzungsdauer am Bildschirmarbeitsplatz deutlich höher als z.B. im 3D-Kino. In diesem speziellen Fall sind die Herstellerhinweise nur bedingt umsetzbar. Folglich ist es erstrebenswert nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, welche die grundlegende Problematik des VAK in den Mittelpunkt rücken und mit der notwendigen Nachhaltigkeit zur Steigerung des Betrachtungskomforts beitragen.

Siehe auch

Quellen

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  • DISPLAY SEARCH (2013): Demand for 3D Optical Film Rises as Passive 3D TV Competes with Shutter Glass, According to NPD DisplaySearch; [WWW] http://www.displaysearch.com/cps/rde/xchg/displaysearch/hs.xsl/130327_demand_for_3d_optical_film_rises_as_passive_3d_tv_competes_with_shutter_glass.asp (01.09.2013; 11:30Uhr)
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